Aber, aber, aber

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Bieke
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Uwe
Wir unterhalten uns über Wörter und Unwörter und was passiert, wenn Wörter zu Unwörtern werden am Beispiel von "Aber"

Manchmal kommen wir uns sehr fortgeschritten vor, mit unserem Leben als Paar, das die GfK eingeladen hat, Dauergast in Teufels Küche zu sein. ○ Wir haben einen guten Ort zum Leben gefunden. ○ Wir sind nicht perfekt und arbeiten auch nicht daran. ○ Wir können auch andere Menschen dabei unterstützen, sich selbst und andere besser zu verstehen, indem sie auf Gefühle und Bedürfnisse hören und so Lösungen einladen, ihr Leben zu bereichern. ○ Wir haben keine Angst mehr, ehrlich miteinander umzugehen, egal wie blöd wir uns selbst, den Anderen oder das Leben gerade finden, denn wir wissen, dass Ehrlichkeit die Abkürzung zu Verbindung ist. Aber: Was wir nicht hinkriegen, ist die Vermeidung des Wortes "Aber". Nun, wir haben verstanden, dass der Satz "Ich weiß, dass Du Deinen Tee in Ruhe genießen möchtest, aber ich muss heute pünktlich sein!" so gehört wird, als würde man den Wunsch des Anderen hören und gleichzeitig das eigene Anliegen wichtiger finden. "Aber" kommt zum Einsatz, wenn ich eben nicht bereit bin, meine Lieblingsstrategie aufzugeben, wenn meine Absicht Verbindung erst an zweiter Stelle kommt, wenn vielleicht etwas anderes für mich gerade noch wichtiger ist. In GFK-Kreisen ist die Formulierung "und gleichzeitig" anstelle von "aber" sehr beliebt. Das ist auch wirklich ein schönes Hilfsmittel, um sich die Gleichwertigkeit von einander entgegenstehenden Wünschen bewusst zu machen. Wenn wir das dann mit absoluten Anspruch durchführen, wird "und gleichzeitig" leicht zur Floskel. Zum Beispiel wenn einfach Tatsachen beschrieben werden ("der Rasen muss gemäht werden, aber es regnet") oder ein reales massives Ungleichgewicht besteht ("ich mag hören, was dich heute bei der Arbeit geärgert hat, aber der Schuppen brennt"). Am Ende hört man dann umgekehrt womöglich immer "aber", wenn "und gleichzeitig" gesagt wird. So ging es mir kürzlich und ich rieb mir verwundert die Augen, weil das, was ich da hörte, tatsächlich eine reine Aufzählung war. Wenn ich nun aber den Satz von oben unter Vermeidung des bösen Wortes als "Ich weiß, Du möchtest Deinen Tee in Ruhe genießen, gleichzeitig muss ich heute pünktlich sein!" zur Welt bringe, mit dem gleichen Druck und der gleichen Haltung aus der Aber-Version, dass nämlich mein Anliegen wichtiger ist als Deins, habe ich mich sprachlich zwar schön verrenkt, gleichzeitig aber nicht viel erreicht. "Aber" ist bestimmt ein sehr altes Wort. Wahrscheinlich lernen Kinder "Aber" als drittes oder neuntes Wort, gleich nach "Papa", "Tiger", "Mama", "Toastbrot" und "Ja". Es ist ein Ausdruck von Autonomie. "Ich" und "Nein" kann das Kind noch nicht sagen, es könnte eine friedliche Zeit sein, doch dann ertönt das schreckliche Wort: "Aber". Es kann noch nicht in ganzen Sätzen sprechen, sonst würde es sagen "Mama, ich weiß, dass Du es eilig hast, aber kann ich bitte in Ruhe meinen Tee genießen?". Statt dessen abert es abwechselnd weinend, eindringlich bittend, flüsternd und fordernd laut. Es ist ernst und es heißt: Mein Wunsch ist wichtiger als Deiner! Na ja, und vermutlich haben wir Kinder dieses Wort von unseren Eltern gelernt. In den Teenagerjahren wird "Aber" zu einem Ausdruck von Rebellion, ein Wort, mit dem Sätze beginnen. "Aber die anderen haben alle ein *Hier könnte Ihre Werbung stehen*". Dieses defensive "Ja, aber" kann dann im Erwachsenenalter zu einem richtigen Spiel heranwachsen. (zur Erläuterung: Eric Berne, der Entwickler der Transaktionsanalyse, beschreibt in seinem Buch "Spiele der Erwachsenen" eine Kommunikationsform, die feste Rollen hat und festen Regeln folgt. Das nennt er "Spiel". Er beschreibt auch ein "Spiel" mit dem Titel "WANJA - Warum nicht , ja aber" in dem eine Person einer anderen zu helfen versucht und Vorschläge macht "warum machst du nicht … " und diese beständig mit "ja, aber" reagiert. Aus Platzgründen kann hier nur auf das Buch verwiesen werden - leider auch keine Werbung, zumindest keine bezahlte) Und so wird und bleibt "Aber" ein unglückliches Wort, machtlos, hilfesuchend und gleichzeitig von einer gewissen Dringlichkeit, die nur vorgibt, den Anderen zu sehen. Und klar passiert uns das. Und wenn uns das passiert, dann möchte ich diesem Umstand nicht zu allem Überfluss auch noch ein Und-Gleichzeitig-Mäntelchen überwerfen. Nö, ich finde meins gerade wichtiger als Deins und das gebe ich hiermit zu und Du darfst das doof finden. Ein "Verbot" für ein Wort schmeckt nicht gut. Vielleicht nur aus Rebellion, aber ein verbotenes Wort kann ich nicht akzeptieren. Uups, da war ja noch so kleines subtiles Wort, nämlich "nur". Da steckt eine Wertung drin mit der ich nicht gut gehen kann. Wenn aber jetzt gerade Rebellion für mich richtig ist (uups, sie haben "richtig" gesagt) dann ist das so. Und das ist für mich jetzt und hier gut und richtig. "Richtig" und "Nur" sind weitere ganz eigene Themen aber dahin wollen wir uns jetzt nicht verlaufen. Aber zurück zum "Aber": Weil nun der Teil hinter dem "aber" in unserem Sprachraum so klingt, als hätte er die größere Bedeutung, kann ich auch mit den Bedeutungen der beiden Satzteile spielen, indem ich sie vertausche: "Ich muss heute pünktlich sein aber ich kann sehen, dass Du Deinen Tee in Ruhe genießen möchtest." Auch da steckt ein "aber" drin. Dabei klingt viel deutlicher an, dass mir der Andere wirklich am Herzen liegt und dass ich mit den widerstrebenden Polen umgehen möchte. Und damit geht der Raum zu einer möglichen gemeinsamen Lösung auf, wie zum Beispiel: "Magst du dann später nachkommen" oder was immer in der konkreten Situation angemessen sein könnte. Am Abend wird in Teufels Küche gefeiert. Wir haben ein Wort für uns gerettet, das nun mal zu unserer Sprache gehört. Wir feiern unsere Rebellion gegen die Ersetzung von bösen Worten. Wir haben gelernt, den Wünschen beider Seiten, wenn sie ohnehin schon im Raum stehen, zunächst mal die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken. Und als Paar trauen wir uns das, weil es unsere Verbindung stärkt und weil wir genau das beide wollen und einander vertrauen.

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Unsere Kolumne erscheint in der Zeitschrift Empathische Zeit (empathischezeit.com).